Mitteldeutsche Zeitung vom 22.01.2004

Pressebeitrag MZ
 

Foto o.l.: Der bis heute erhaltene Rest einer Terrassenanlage für Wein auf dem Wieschkenberg über der Saale bei Alsleben. Die Weinberghütte wurde in die Terrassenwand integriert. Das Weinberghäuschen bauten die Besitzer später zu einem Wochenenddomizil um.
Foto o.r.: Hangweinbau bei Aderstedt um 1890 über der "Strenge".
Foto m.: Weinbaustandort Talstadt. Am ehemaligen Kloster der Marienknechte rankte der Wein am Spalier.

MZ-Fotos (3): Archiv Gremler

 



Historischer Rückblick

Die Lage der heimischen Weinberge

In jüngster Zeit ist die Erkenntnis zurück gekehrt, dass an der unteren Saale der Weinbau zu Hause war


Von  BERNHARD GREMLER

Bernburg/MZ. Fast jeder hat bei Reisen in südliche Länder die oft riesigen Weinfelder gesehen, hat die mit Rebstöcken bepflanzten weit gestreckten Hanglagen bestaunt.

In den letzten Jahren ist die Kenntnis darüber zurück gekehrt, dass an der unteren Saale früher ebenfalls der Weinbau zu Hause war. Auf den ersten Blick scheint davon nichts mehr übrig geblieben zu sein. Beim näheren Hinsehen aber schimmert manch Andenken nach.

Rebpflanzungen

So dürfte dann die Frage nach Lage und Struktur früherer Rebpflanzungen den Weinliebhaber und Kleinanbauer heutiger Tage ebenfalls interessieren. Wenig blieb erhalten. Versuchen wir dennoch einen Rückblick.

Beginn mit Messwein

Schon vor 1030 Jahren, 973 nämlich, wurde Weinanbau bei Alsleben, Schackstedt und Purtin (wüst geworden) bei Haus Zeitz erwähnt. Die Rebe blühte hier also früher als an der mittleren Saale (Naumburg) und als an der Unstrut (Freyburg).

Diese Erkenntnis der letzten Jahre könnte man sich wie einen guten alten Wein genüsslich auf der Zunge zergehen lassen. Nienburg folgte mit der Erwähnung von Weinbau im Jahre 1090. Vom 12. Jahrhundert an reißen die Hinweise auf Weinanbau in unserer Heimat nicht mehr ab.

Erinnert sei an: 1150 Rothenburg, 1162 Wildenberg (wüst) bei Nelben, 1173 Könnern, 1194 Aderstedt, 1375 Waldau und danach in das 17./18. Jahrhundert hinein auch Beesen(laublingen), Bernburg, Gröna, Gnölbzig, Großwirschleben, Mukrena, Mödewitz, Neugattersleben, Plötzkau, Strenznaundorf, Trebnitz.

Rechnet man die wüst gefallenen Orte alle dazu, bei denen Weinbau Erwähnung fand, ergäbe sich jene Kette, jener Kranz von Weinbergen auf den Uferhöhen der Saale und in einigen Nebentälern, von denen der verdienstvolle Heimatforscher Franz Stieler nicht selten geschwärmt hat.

Auslöser dieser Entwicklung war die Kirche, waren die Klöster mit ihrem Bestreben, den so genannten "Messwein", den Wein für das Heilige Abendmahl im Rahmen der Messen, der Gottesdienste, durch "Anbau vor Ort" selbst zu gewinnen.

Zudem war Wein das Standardgetränk in den Klöstern. Klöster wiederum und klosterähnliche Einrichtungen gab es auf dem knappen Territorium des heutigen Landkreises Bernburg entlang der Saale mit den Niederlassungen in Alsleben, Aderstedt, Cölbigk, Bernburg und Nienburg wahrlich in reicher Fülle.

Wallfahrtsort

Cölbigk war außerdem als Wallfahrtsort ein Zielpunkt von Pilgerscharen. Die Devise war erteilt, und sie wurde offensichtlich verwirklicht.

Später wurde der Wein auch zum Haus- und Repräsentationstrunk des Adels, sowohl bei den anhaltischen Fürsten, als auch beim Landadel. Das gehobene Bürgertum, Ratsherren und betuchte Handwerksmeister, standen diesen Bestrebungen in nichts nach.

Die Pflanzungen

Der Weinbaupionier früherer Zeiten brauchte geologisch gesehen für seine Pflanzung drei unerlässliche Dinge: Wasser aus der Natur, Hanglage und Südneigung.

Nur als Hangweinbau, oder in der verfeinerten Form als Terrassenweinbau, konnte hier am 52. Grad Nördlicher Breite eine Rebpflanzung als Flächenkultur gedeihen. Der wärmende "Rücken" des Hanges oder der Terrassenwand musste das Manko an Sonnenenergie ausgleichen, unterstützt durch die maximale Sonneneinstrahlung, die nur einer Südlage zu Teil wird. Zudem schützt ein Südhang vor kalten Nordwinden, die einer Rebpflanzung erheblich zusetzen können. Wasser zum Pflanzen, zum Nachpflanzen und zur Verarbeitung war ebenso erste Notwendigkeit.

Erwies sich das Dargebot dabei als Großgewässer wie bei der Saale, konnten weitere Vorteile rekrutiert werden. Die Spiegelwirkung der Wasseroberfläche führte dem Rebstock einen willkommenen Zuschlag an Sonnenlicht zu, von den heutigen Weinbauern als "Äquatoreffekt" bezeichnet.

Lag der Weinberg direkt auf dem Uferhang über dem Fluss, so profitierte er in kühlen Herbsttagen von der Wärmeabgabe der Wassermasse und erhielt damit einen zusätzlichen Bonus für die Ausreife der Trauben.

Derart gute Weinlagen gab es mehrfach über der Saale, teilweise auch über Bode und Wipper. Weinberge in Nebentälern über Bächen wie bei Schackstedt, Strenznaundorf oder wie im Teufelsgrund bei Könnern konnten den Bonus großer Wassermassen nicht nutzen, genossen dafür aber den Vorteil der reinen Südlage ihrer Hänge.

Weinberge

Bei uns zeigt sich das Saaletal als Miniaturlandschaft im Vergleich mit der oft gewaltigen Naturkulisse südlicher Stromtäler, in denen die Rebe blüht. Ebenso bescheiden-beschaulich waren hier die Weinberge. Folgende Flächengrößen sind überliefert: Aderstedt fünf Hektar, Bernburg und Waldau 25 Hektar anhaltisch-fürstliches Weinland, dazu Weinberge in bürgerlichem Besitz, Gröna drei Hektar, Neugattersleben vier.

Könnern besaß 25 Weinberge, ohne dass die Chronisten die Flächengrößen dazu vermerkt hätten. Die fehlen auch für den Alslebener Weinbau, obwohl der Ort drei hervorragende und großflächige Weinlagen sein Eigen nennen konnte. Eine alte Regel besagt, dass mindestens 1,5 bis 2, besser noch 2,5 Hektar Weinland erforderlich sind, um eine Winzerfamilie zu ernähren.

Pflanzreihen

Die Pflanzreihen folgten meist der senkrechten Anordnung (von oben nach unten) mit Ausnahme vor Terrassenwänden. Die Weinstöcke erzog man ursprünglich "am Pfahl" mit tief ansetzenden Fruchtreben. Später ging man zur Bogen- oder Drahterziehung über.

Fast alle Weinberge und Weingärten besaßen am Bergfuß eine Weinberghütte, ein kellerartiges Gelass aus Naturstein, das in den Hang hinein gebaut wurde, der kühlenden Wirkung wegen. Ein Pfad zog sich meist von der Hütte aus nach oben, an dessen Ende bei größeren Pflanzungen eine Winzerlaube oder ein Winzerhäuschen stand.

Wege zum Weinberg lagen überwiegend am Bergfuß, doch auch Höhenwege gab es. Am Hang selbst wurde oft das obere Drittel, der am intensivsten "besonnte" Bereich, mit den edelsten Weinsorten bepflanzt.

Weißwein

Interessant sind auch die Angaben zu den bevorzugten angebauten Rebsorten. Bei den weißen Weinen wurden genannt: der Elbling, der Silvaner, der Gutedel und - in den besten Sonnenlagen - der Traminer. Riesling wurde hier nie angebaut, entgegen mancher heute zu hörenden Aussagen.

Das konnte er auch nicht, denn die kleine, spät reifende Traube kann sich in unserem kühlen Klima nicht entfalten. Bei den roten Sorten wurden Spätburgunder und Portugieser zunehmend vom "Guten Blauen", also vom "Blauen Bernburger"®, verdrängt. Eine Überraschung ist zweifellos der Anbau des Traminers.

Er gilt als "Kaiser der Weißweine" mit höchsten Ansprüchen an Standort und Ausbau, seiner Herkunft aus Südtirol vom Sonnenparadies der Alpen her geschuldet. Dass die alten Weinbauern hier an der unteren Saale das geschafft haben, spricht ihrem Können auch heute noch ein großes Lob aus.

Es leuchtet ein, dass Weinanbau am 52. Grad nördlicher Breite in besonderem Maße wetterabhängig und arbeitsintensiver war und ist. So liefern die Angaben über die Erträge der Weinberge allesamt eine klare Tendenz: In mageren Sonnenjahren lag die Ausbeute um gut die Hälfte unter derjenigen der besten Weinjahre. Im Schnitt ergibt sich dennoch eine ansprechende Bilanz.

Gönaer Weinberg

So lieferte der Grönaer Weinberg auf seinen drei Hektar Anbaufläche einen Spitzenwert von 130 Eimern Wein, im Minimum dagegen nur 60, im Mittel also 95 Eimer. Nun ist dieser "Eimer" in keinem Fall identisch mit unseren heutigen 10-Liter-Standardeimer. Es handelt sich vielmehr um ein spätmittelalterliches Hohlmaß, das eigentlich "Eimber" hieß und das von Landschaft zu Landschaft unterschiedliche Füllmengen besaß.

Die Grönaer Angaben bezogen sich auf den "Eimer im Bernburgisch Maß", den Anhaltischen Eimer, wenn man so will. Er fasste nach Franz Stielers Angaben 70 Liter. In Gröna wurden also im Schnitt 6650 Liter Wein eingebracht. Der Ertrag im Weinbau wird in Hektoliter pro Hektar angegeben. Für Gröna heißt das: 66,5 Hektoliter auf drei Hektar ergibt den Wert von 22,1.

Dies Ergebnis ist im Vergleich mit gesamtdeutschen Statistiken bis an die Zeit von 1932, dann folgte die Ära des heute noch gesteigerten Intensivweinbaus, ein durchaus beachtliches. Zwar liegt der Rheingau mit dem Wert von 32 weit an der Spitze, aber ein traditionelles Weinbaugebiet wie Unterfranken kommt, besser gesagt kam, nur auf 17. Alle Achtung, Gröna und damit wohl auch der ganzen heimischen Region. Es wurde also einmal beachtenswertes geleistet im Weinbau an der unteren Saale. Daran zu erinnern, sollte Aufgabe dieses Beitrages sein.

Info

Am Sonntag beginnt um 15 Uhr in der Gaststätte "Alter Markt" die erste Zusammenkunft der heimischen Weinbaufreunde. Interessenten sind herzlich eingeladen.

Das Mitbringen und gemeinsame Verkosten selbst angebauter Tropfen ist möglich.